"Urban Death Project" -Neuer Trend zur Bio-Bestattung in den USA

Die Zeitung „Die Welt“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 19. Mai 2015 über den sich in Amerika herausbildenden Trend zur Kompostierung menschlicher Leichname in eigens dafür errichteten Anlagen. Das macht neugierig und lädt ein, sich mit den unterschiedlichen Bestattungskulturen in den Vereinigten Staaten und Deutschland zu beschäftigen. Ein Kommentar von Stephan Jürgenliemk


München, 20.05.2015


Der neue Trend, den Verstorbenen nur in einem Leichentuch in Holzschnitzeln und Sägemehl zu betten und in einem aeroben Vorgang (unter maßgeblichem Einfluss von Sauerstoff) innerhalb einiger Wochen zu Kompost zersetzen zu lassen, entsteht in den Vereinigten Staaten in einem Umfeld, dessen Bestattungskultur für unsere Verständnisse von Extremen geprägt ist: Einerseits nehmen, wie in Deutschland, die Kremationen zu, andererseits ist es nach wie vor üblich, den Leichnam vor der Bestattung mit Chemikalien zur Haltbarmachung einzubalsamieren, verbunden mit aufwändiger kosmetischer Behandlung und anschließender Aufbahrung. Offenbar äußert sich im „Urban Death Project“ („städtisches Bestattungs-Projekt“) ein wachsendes Umwelt- und Naturbewusstsein der Menschen, das das Leben bis in den Tod beeinflusst. Der Verzicht auf Chemie und der Einsatz der Biologie sind sicher gut, aber bedarf es dazu eines dreistöckigen Kompostierungsgebäudes, mit Filteranlage und Klimatisierung? Und kann das dann noch „Bio“ sein?
Der Blick nach Deutschland gibt eine Antwort: Die hiesige Bestattungskultur vertraut seit Jahrhunderten auf die natürliche Zersetzung der Verstorbenen unter der Erde, auf Friedhöfen. Diese Tradition gibt vielen Hinterbliebenen das gute Gefühl, Abschied nehmen und loslassen zu können, und dennoch einen Ort der Trauer und der Nähe zum Verstorbenen zu haben. Die Friedhöfe liegen dabei meist in unmittelbarer Nähe der Siedlungsgebiete der Menschen; Holzkreuze und Gräber in naturnaher Umgebung des Waldfriedhofsder Tod und die Erinnerung bleiben Teil der Gesellschaft. Und wenn dann bei den zur Beisetzung verwendeten Materialien, etwa beim Sarg oder dem Blumenschmuck, auf Natürlichkeit Wert gelegt wird, findet der Verstorbene seine letzte Ruhe auch in biologisch einwandfreier Weise. Die rund 32.000 Friedhöfe in Deutschland sind unser zum Teil Jahrhunderte altes Urban Death Project, eine natürliche Bestattung, die die wesentlichsten Bedürfnisse vieler Menschen auf ideale Weise erfüllt und es deshalb verdient, „Trend“ zu sein.


Bild: Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub. Jahrhundertelang erprobte natürliche Rückführung der menschlichen Überreste in den Kreislauf der Natur. Bildquelle: TBF [Download]
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